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9. November 2008 7 09 /11 /November /2008 10:18

Ich bin Jahrgang 88 und somit wohl ganz aktiv mit allen erdenklichen Medien aufgewachsen.
Ich wurde vom Fernseher, von Handys und vom Internet stark beeinflusst und hätte mich auch nicht dagegen wehren können.

Mit 9 Jahren hatte ich mein erstes Handy und mit 14 meinen eigenen Laptop. Beim Fernseher blieb es zum Glück beim allgemeinen Familien-TV.

Dennoch hatte ich früher ein Leben, das sich nicht nur in meinen vier Wänden abspielte.

Heute kann ich mir ein Leben ohne StudiVZ, MSN, ICQ etc nicht mehr vorstellen. Als bei mir eine Woche MSN nicht gelaufen ist, bin ich fast durchgedreht.

Ich habe viele Freunde und natürlich wohnen auch einige in meiner Nähe. Dennoch läuft ein Großteil meines Kontaktes zu anderen Menschen und der Austausch mit ihnen übers Internet.
Ich habe eine Menge Workshops gemacht, die sich mit Kommunikation beschäftigten und den Austausch zwischen Menschen und ständiges Feedback für das Wichtigste im Leben hielten.
Dem stimme ich auch weiterhin zu, aber heute haben sie die Möglichkeiten zu früher verändert.

Ich komme von einem Gymnasium, das als eines der ersten Schulen in Hamburg oder Deutschland Laptop-Klassen eingerichtet und die ganze Schule vernetzt hat. Wir wurden von Apple gesponsert und dadurch mit der neusten Technik ausgerüstet.
Für mich war das normal. Ich wuchs damit seit der 5. Klasse auf.
Dann aber kam eine neue Bildungssenatorin, die sich zum Ziel gesetzt hatte, möglichst viel Geld zu sparen und daher viele Schulen scheinbar willkürlich schloss.
Darunter fiel auch meine Schule, obwohl sie so viele neue Technologien nutzte.
Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass zwar an allen Ecken neue Technologien genutzt werden, die meisten "älteren" Menschen aber noch nicht begriffen haben, wie wichtig sie wirklich heutzutage sind und wie wichtig es vor allem ist, dass auch die Lehrerschaft damit umgehen kann.
Das Durchschnittsalter an den meisten Schulen befindet sich wahrscheinlich um die 40.
Das heißt, dass diese Lehrer nicht wissen können, in welchem Zeitalter, mit welchen Medien wir Kinder aufgewachsen sind.
Es wird noch immer mehr auf die Rentabilität einer Schule geachtet, als auf die Umsetzung neuer Medien und neuer Lehrmethoden, die vielleicht noch etwas Zeit brauchen, um ihre Wirkung zu zeigen.

Es reicht nicht mehr, dass man weiß, wie ein Pc funktioniert, wie man bei Google etwas eingibt.
Der Fortschritt ist heute so rasant, dass sich jeden Monat, ja sogar jeden Tag etwas Neues entwickelt und erfunden wird.
Wir Jugendlichen sind meistens noch auf dem Laufenden, weil wir täglich im Netz surfen und einen ständigen Austausch mit anderen über Internet haben. Ohne würden wir schnell aus der Bahn geworfen werden und könnten nicht mehr mitreden. Vielleicht ist auch gerade das unsere Motivation.

Egal, wo ich hinkomme, StudiVZ ist ein Begriff und wird stark frequentiert. Ich selbst habe mich in der 11. Klasse angemeldet, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt wohl offiziell noch eine Schülerin war. Aber dort ging scheinbar das Leben ab. Bei SchuelerVZ war es langweilig, weil die ganzen "Kleinen" noch nicht sehr aktiv waren und auch noch nicht begriffen hatten, wie man sich am besten organisiert.
Egal, um welches Treffen es geht, jeder verweist auf StudiVZ, um die weiteren Daten abzusprechen und sich schnell und einfach kurzzuschließen.
Ein anderes Medium ist MSN bzw. ICQ oder Skype.
Ich habe einmal versucht, MSN zu boykottieren, indem ich es eine Woche abgeschaltet habe.
Es ging nicht.
Natürlich kann ich auch jeden meiner Freunde anrufen oder sie sogar treffen. Aber es gibt dennoch genügend Freunde oder Bekannte, die einfach auf diesem Weg nicht erreichbar sind.
Durch das Internet kann ich in kürzester Zeit alle meine Freunde erreichen und sogar 10 Unterhaltungen gleichzeitig führen, wenn es nur um Absprachen geht.

So viel zu den Möglichkeiten der heutigen Jugend.

Ich vermute, dass man all das bereits auch unter den "Erwachsenen" weiß. In Schulen jedoch wird nichts davon umgesetzt.
Ich habe seit zwei Jahren ein Handy mit Internetanschluss und kann jederzeit in wenigen Minuten bei Google etwas suchen oder schnell meine Mails checken.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sehr viele Lehrer teilweise als Unterrichtsmaterialien Wikipedia-Seiten nutzen und mehr oder weniger unverändert an uns Schüler weitergeben oder gar als Lesematerial austeilen.
Das jedoch ist nicht der Sinn des Internets. Das nenne ich eher Papierverschwendung.
Jede Drittklässler kann mittlerweile bei Wikipedia das gewünschte Thema eingeben und sich die Seiten dazu durchlesen. Das sollte eine Hilfe sein, aber nicht die Unterrichtsstunde bestimmten bzw ausfüllen.
Der Unterricht sollte aus Austausch, Feedback und neuen Ideen bestehen. Das Internet dient dabei nur der Erarbeitung von Hintergrundwissen und Infos.
Ein Manko ist beispielsweise, dass es bisher nicht anerkannt ist, im Unterricht mit einem internetfähigen Handy etwas nachzuschlagen. Ich habe mich nie getraut, Wikipedia während des Unterrichts zu nutzen. Und wenn ich es tat, dann nur, um für mich allein etwas zu erfahren, nicht aber, es mit der Klasse zu teilen, weil ich Angst vor dem Lehrer hatte, der mir dann vorwerfen würde, ich hätte während der Stunde das Handy benutzt, was ja auch der Fall war.
Und so ist eine eventuell wichtige Information verloren gegangen, weil wir an einem Punkt nicht weitergemacht haben, obwohl das Wissen da gewesen wäre.
Das Internet und das breite Wissen, das wir dort zur Verfügung haben, wird im Unterricht und in Schulen nur geringfügig genutzt. Immer noch ist man skeptisch und verlässt sich lieber auf veraltete Bücher, statt auf das sich immer wandelnde und anpassende Internet.

Noch immer besteht kein Austausch zwischen Schülern und Lehrern.
Gibt es eine Schule, die ein Stunden-Feedback der Schüler an ihren Lehrer zulässt oder ermöglicht?
Wenn nein, warum nicht?
Haben Lehrer Angst vor Kritik? Haben sie Angst davor, dass ihre Lehrmethoden an die Öffentlichkeit geraten und evtl. für uneffektiv bewertet werden?
Wieso gibt es noch immer so viele Lehrer, die sich komplett gegen die Nutzung des Internets wehren?

Meine Eltern waren beide längere Zeit Lehrer, jedoch vor 20 Jahren oder so. Sie kamen noch nicht so sehr in den Konflikt mit all diesen neuen Techniken.
Doch beiden waren in einem sehr fortschrittlichen Internat in Dänemark beschäftigt. Dort waren bereits vor 20 Jahren Computer vollkommen in den Unterricht integriert. Der Unterricht fand sogar am Pc statt!
Dort gab es Portale, auf denen man Matheaufgaben runterladen und lösen konnte.
Die Ergebnisse wurden dann dem Lehrer geschickt. War etwas falsch, wurde es einfach wiederholt. Es ging nicht um bestanden oder durchgefallen. Es ging auch nicht darum, pro Tag so und so viele Aufgaben zu lösen. Es wurde den Schülern überlassen, wann sie die Aufgaben machten. Hauptsache, am Ende des Monats waren alle einmal bearbeitet.
Für diese Arbeit standen ganze Klassenräume gefüllt mit Computern zur Verfügung, wo jeder rein konnte, wann er wollte. Die Schüler konnten sich auch untereinander helfen. Alle Jahrgänge waren zu jeder Zeit im Raum vertreten. Die Schüler mussten nicht zu einer bestimmten Uhrzeit erscheinen, sondern lernten dann, wenn sie ausgeschlafen waren und Lust hatten.
Man könnte meinen, dass dann wohlmöglich gar keiner mehr kam, denn wer hat schon Lust aufs Lernen?!
Aber dies ist ein Irrglaube. Die Schüler kamen und hatten sogar Spaß am Lernen und Aufgaben rechnen.
Ich wähle das Beispiel Mathe, weil ja gerade dies ein Fach ist, das wohl von einem Großteil der Schüler gehasst wird.
In Dänemark haben auch viele Schüler komplett von zu Hause gelernt. Alles per Video-Botschaften, Lehrmaterialien, auf die man jederzeit zurückgreifen konnte und dem Austausch per Forum oder Chat mit anderen Schülern.
Durch bereits gelöste Aufgaben, die in einem Portal zur Verfügung stehen, kann jeder folgende Schüler lernen.
Wieso soll jeder Schüler alles wieder von vorne erlernen? Warum können wir das Wissen der vorigen Generationen bzw. vorigen Jahrgänge nicht ebenso nutzen? Aber wir fangen lieber in jedem Jahrgang am Anfang an, obwohl wahrscheinlich jeder Jahrgang wieder dieselben Probleme mit Geometrie oder Analysis hat. Leider weiß nur keiner, welche geniale Frage der Schüler aus dem Jahrgang über mir gestellt hat und welche Antwort er bekam. Ich muss selbst wieder auf diese geniale Frage kommen. Vielleicht aber komme ich nie darauf und bleibe auf meiner Wissensebene stecken.
Es geht also viel Wissen in den Tiefen der leeren und kalten Klassenräume Deutschlands verloren.
Wir regen uns über die zu hohen Schülerzahlen auf, machen aber nichts dagegen.
Durch das Internet könnte mehreren Schülern auf einmal geholfen werden.
Einer stellt eine Frage, der Lehrer erklärt es ihm und die anderen können es gleichzeitig sehen und ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen. Normalerweise kann ein Lehrer immer nur einem Schüler persönlich eine Frage beantworten. Die anderen sitzen am Ende des Klassenraumes und bekommen davon nichts mit. Wahrscheinlich kann er sogar dieselbe Frage fünf verschiedenen Kindern erklären und damit eine ganze Stunde verbringen, weil die Schüler nicht die Möglichkeit haben, die Antwort, die der andere bereits kam, ebenfalls zu hören.

Ich fordere also, mehr positive Nutzung des Internets und der heutigen Technik in Schulen. Dazu gehört natürlich auch eine Förderung von sozial bzw. finanziell benachteiligten Kindern.
Auch wenn dies einige Kosten verursachen würde, wäre das Resultat meiner Meinung eine enorme Wissenssteigerung und somit mehr Abiturienten, mehr Studenten und mehr Akademiker aus allen Schichten.

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